„Bei mir wird nicht dressiert“

„Bei mir wird nicht dressiert“

Im Synchron- und Tonstudio Leipzig bringt Katrin Fischer Kinder zum – richtigen – Sprechen

Wenn Katrin Fischer über ihre Arbeit erzählt, beginnen ihre Augen zu leuchten. Sie ist Sprechwissenschaftlerin und -erzieherin. Jeden Donnerstag ist sie mit etwa 25 Jugendlichen im Vorbereitungsraum im Synchron- und Tonstudio in der media city leipzig - Sprechtraining für die am meisten fortgeschrittenen ihrer Schützlinge. Auflockerungsübungen mit Rollen- und Sprachspielen und schnellen Zungenbrechern mit einer unglaublichen Anzahl an Zischlauten eröffnet die Runde.

Von „Olsenbande Junior“ bis „Päpstin“

Die Atmosphäre ist gelöst und heiter, aber alle sind hochkonzentriert. Das Geschehen wechselt nahtlos zum Lesetraining von Hörspiel-Manuskripten. Innerhalb weniger Minuten wähnt sich der Beobachter vorm Radio. Katrin Fischer bringt Kindern und Jugendlichen gutes Sprechen, Rhetorik, deklamieren und interpretieren bei, aber auch Gesprächsführung und –aufbau. Achtjährigen ebenso wie den 18-Jährigen, für Hörspiel- und TV-Produktionen, für Synchronisierungen – oder einfach für’s Leben. Einmal die Woche übt sie mit den Kindern und Jungendlichen – am Donnerstag sind die Fortgeschrittenen dran und montags unterrichtet Hans Nenoff,  ehemaliges KüWo-Kind und nun auch Sprechwissenschaftler,  die Anfänger.

Die „KüWo-Kinder“ – KüWo bedeutet „Künstlerisches Wort“ – sind richtig gut. Einige waren etwa bei der Synchronisierung des Films „Olsenbande Junior“ im Synchron- und Tonstudio Leipzig dabei, bei der deutschen Vertonung der „Kinder der Luna“, einem siebenteiligen Fernsehfilm für Kinder. Auch Hörspiele wie „Pelle der Eroberer“ oder „Die Päpstin“ haben die KüWo-Kinder eingesprochen - und viele andere Produktionen in den letzten Jahrzehnten.

Freischaffend oder abgewickelt

Katrin Fischer macht diese Arbeit seit Mitte der 1980er Jahre. Da übernahm sie das „Kindersprecherensemble von Radio DDR“ in Leipzig. 15 bis 20 Kinder von acht bis achtzehn übten hier, um beim Rundfunk und Hörspiel Kinderrollen sprechen zu können. Katrin Fischer hatte beste Voraussetzungen, arbeitete damals als Sprechmeister am Leipziger Schauspielhaus, inszenierte mit Kindern jedes Jahr die Orffsche Weihnachtsgeschichte, betreute ein kirchliches Theater. Bis zur Wende wuchs das Ensemble auf zwei Gruppen, hätte diese Zeit aufgrund von Sparbemühungen aber beinahe nicht überlebt.

Aber Katrin Fischer machte sich selbstständig, führte die Arbeit gegen einen Obolus der Eltern privat weiter. Der Coup gelang, immer mehr Kinder kommen, Sprecherkinder werden wieder gebraucht und bald klappte es auch mit Rundfunk- und TV-Produktionen, sogar unter Katrin Fischers Regie. Heute spielen KüWo-Kinder beispielsweise auch bei „Geschichte Mitteldeutschlands“ oder „In aller Freundschaft“ mit.

„Zwingen muss ich niemanden“

Wie bekommt man Kinder und Jugendliche dazu, sich einem solchen Training zu unterziehen? „Zwingen muss ich niemanden“, sagt Katrin Fischer, „die Kinder kommen, weil sie möchten“. Es sei einfach schön, aus jungen, Menschen mit Begabung, Fleiß, Lust und Laune in wenigen Jahren selbstbewusste Profis zu formen. Ihr Credo: „Ich dressiere nicht. Das Kind bringt Bereitschaft, Fleiß und Willen mit und ich gebe Tipps, damit es seine Anlagen ausbauen kann.“

Werbung muss Katrin Fischer nicht machen, der Zulauf ist auch ohne enorm. Vier Mal kann jedes Kind „schnuppern“, bevor es sich entscheiden muss. „Es ist einfach herrlich“, sagt Katrin Fischer: „Da kommt ein Kind und fragt, was soll ich machen, und dann saugt es alles auf und dann geht es in die Welt und ich habe etwas dazutun können, dass es etwas beherrscht.“

Immer eine große Sache

Wie sehr den Kindern sich die Arbeit Katrin Fischers einprägt, wie sehr sie ihnen nutzt, zeigt das Beispiel Thomas Bärsch. Der Mann ist heute Mitte 40 und Reporter im ZDF-Landesstudio Dresden. Mitte der 1980er gehörte er zu den Fortgeschrittenen. Einen besonderen Platz in seiner Erinnerung haben die kleinen Rollenspiele zu Beginn der Übungsstunden: „In denen konnte man all die Sachen verarbeiten, die einen interessierten oder bewegten.“

Er war häufig bei Hörspielproduktionen dabei. „Immer eine große Sache“, erzählt Bärsch. Zum einen habe man damit als Kind bzw. Jugendlicher vergleichsweise viel Geld verdient, zum anderen sorgten sich die Erwachsenen in der Produktion rührend um die Kinder - um sie bei Lust und Laune zu halten. Bärsch begeisterte sich so sehr für Katrin Fischers Arbeit, dass er ein Studium der Sprechwissenschaft erwog. Später schrieb Bärsch selbst Hörspiele. Eine Geschichte über den alten Hahn, den keiner brauchte, wurde Anfang der 1990er von den Fischer-Kindern, unter ihrer Regie, gesprochen und im MDR-Hörfunk gesendet.

www.synchron-leipzig.de

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